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Die Woche in der Biomechanik: #KW18

Lasse Hansen 2

Die wöchentliche Zusammenfassung von dem, was in der Welt der Biomechanik so abgeht.


Diese Woche beschäftigen wir uns weiter mit interessanten Methoden dank denen Erkenntnisse über biomechanische Effekte bei Sportarten gewonnen wurden, die in einem Labor kaum durchgeführt werden können. Nachdem wir letzte Woche über Surfen und Skateboarden gesprochen haben, präsentieren wir hier ein spannendes Paper über die Folgen des Tragens eines Helms beim Wakeboarden und Wasserskifahren auf das Verletzungspotenzial von Kopf und Halswirbelsäule. Viel Spaß beim Lesen!


  1. Verletzungspotenzial von Kopf und Nacken bei Wassersportstürzen: Untersuchung der Auswirkungen von Helmen
  2. 18. Staffordshire Conference on Clinical Biomechanics



Verletzungspotenzial von Kopf und Nacken bei Wassersportstürzen: Untersuchung der Auswirkungen von Helmen

Verletzungen des Kopfes oder Halses beim Wakeboarden oder Wasserskifahren können die Folge von Kollisionen sein, entweder mit Hindernissen, Ausrüstung oder Personen. Aber auch ein Sturz ins Wasser, ohne auf einen festen Gegenstand zu prallen, kann bei höheren Geschwindigkeiten gefährlich werden. Es wurden Bedenken geäußert, dass das Tragen eines Helms bei der letztgenannten Art von Stürzen das Verletzungsrisiko erhöhen kann, z.B. durch grössere negative Beschlaunigungskräfte beim Wassereintritt in Folge der grösseren Querschnittsfläche des Kopfes mit Helm. Darüber hinaus kann der Helm bei einem Sturz nach hinten wie ein Fallschirmanker wirken, den Kopf am Kinnriemen ziehen (der Effekt wird als „Bucketing“ bezeichnet) und zu Hirn- und Halswirbelsäulenverletzungen führen.

Offensichtlich ist die Untersuchung dieser Effekte in einer Feldstudie ziemlich komplex. Deshalb hat die Gruppe von Irving S. Scher et al. ein spannendes Paper verfasst, das vor zwei Wochen in „Sports Engineering“ veröffentlicht wurde. Sie benutzten einen 60 kg schweren Dummy, bauten ein Pendel und ließen ihren Dummy in einen Pool schwingen. Hier ein Foto vom Aufbau:

Image Credit: Scher et al; https://doi.org/10.1007/s12283-020-0321-6

Mit diesem Aufbau war die Gruppe in der Lage, sowohl Rückwärts- als auch Vorwärtsstürze nachzuahmen. Der Dummy wurde instrumentiert und maß die Kopfbeschleunigungen sowie die Belastungen der Halswirbelsäule während des Wassereintritts mit Hilfe von dreiachsigen Beschleunigungssensoren und sechsachsigen Kraftaufnehmern. Die Geschwindigkeit kurz vor dem Wassereintritt wurde mit einer Lichtschranke gemessen. Es wurden 3 Arten von Helmen getestet (einer davon ein Fahrradhelm), die sich alle in der Anzahl der verfügbaren Belüftungsöffnungen unterschieden. Das ist ein weiterer interessanter Punkt, da davon ausgegangen wird dass die Anzahl der Belüftungsöffnungen einen Einfluss auf die Stärke des „Bucktings“ hat. Natürlich wurden auch Versuche ohne Helm durchgeführt, sowie Tests bei zwei verschiedenen Aufprallwinkeln. Die Aufprallgeschwindigkeit betrug 8,8 m/s, was mit den Geschwindigkeiten der Wakeboarder in kommerziellen Parks vergleichbar ist.

Wenn Interesse an der genauen Datenverarbeitung und Berechnung des Risikokriterien und der Widerstandsbeiwerte besteht, empfehlen wir unbedingt die gesamte Arbeit zu lesen, sie ist definitiv einen Blick wert.

Wir werden jedoch hier zu den Ergebnissen springen: In allen Testkonfigurationen lagen die Winkelbeschleunigungen des Kopfes unter 1000 rad/s², die Wahrscheinlichkeit eines leichten Schädel-Hirn-Traumas lag unter 1% und änderte sich durch die Helmbenutzung nicht signifikant. Es ist jedoch interessant zu sehen, dass viele der Verletzungsmechanismen (wie z.B. die Kompression der Halswirbelsäule) beim Tragen eines Helms signifikant zunahmen, die Ergebnisse jedoch immer noch unter dem Referenzwert für die Verletzungswahrscheinlichkeit lagen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es eine ziemlich gute Idee ist beim Wakeboarden oder Wasserskifahren einen Helm zu tragen. Die im Helm-Zustand festgestellten erhöhten Parameter erreichen keine kritischen Werte, und Zusammenstöße mit harten, befestigten Gegenständen oder Personen sind wahrscheinlich eine Liga für sich.
Wir waren jedenfalls begeistert von den kreativen Methoden, die in dieser Arbeit verwendet wurden, und empfehlen wirklich, die gesamte Publikation zu lesen!

Scher, I.S., Stepan, L.L. & Hoover, R.W. Head and neck injury potential during water sports falls: examining the effects of helmets. Sports Eng 23, 7 (2020). https://doi.org/10.1007/s12283-020-0321-6




18. Staffordshire Conference on Clinical Biomechanics

Aufgrund der weiter andauernden Situation wurde die 18. Staffordshire Konerenz zur Klinischen Biomechanik am 1. & 2. Mai 2020 online abgehalten. Das positive dabei (neben der dadurch ermöglichten Rund-Um-Die-Uhr-Kaffeversorgung natürlich): Die Teilnahmegebühr wurde für jeden auf 25€ gesenkt und die aufgezeichneten Videos werden hier noch für weitere 24 Monate online abrufbar sein.

Die diskutierten Themen der zwei Tage waren breit gefächert und reichten von Schuhwerk über Prothetik, Orthesen und allgemeine klinische Anwendungen der Technik, Sport sowie klinischen Populationen bis hin zur Mechanik von Geweben.

Die Hauptredner der Konferenz waren:

  • Sharon Dixon (University of Exeter) – Using biomechanical analysis to support military and elite sporting populations
  • Paul O Malley (Profeet) – The performance enhancing effect of running footwear: Evolution or Revolution?
  • Professor Hazel Screen (Queen Mary University of London) – Achilles tendon – Engineering approaches to exploring injury
  • Professor Costis Maganaris (Liverpool John Moores University) – Joint & Muscle-Tendon Mechanics in Children with Cerebral Palsy
  • Dr Anita Williams (University of Salford) – Perceptions of the role of footwear – identity versus foot health?
  • Nina Davies (Leeds Community Healthcare NHS Trust) – Gait deviations in young children – what raises concern?
  • Michael Rexing (Human Study AV.) – Efficient walking in neuromuscular lower limb orthotics through kinetic energy conversion
  • Dr Andy Franklyn-Miller (SSC Sports Medicine) – Controversies in biomechanically driven gait reeducation for lower limb injury
  • Tom Kepple (C-Motion, Inc.) and Steven Cadavid (Kinatrax, Inc.) – Markerless Motion Capture for in Game Baseball Biomechanics Analysis
  • Dr Alfred Gatt (University of Malta) – Pressure and temperature mapping in diabetic foot disease

Insegsamt wurden allerdings 27 Präsentationen gehalten, die mit sicherheit allesamt sehenswert sind! Diese schauten sich die 364 Konferenzteilnehmer live aus 28 verschiednen Ländern rund um die Welt an.

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