In der dieswöchigen Zusammenfassung von dem was in der Welt der Biomechanik so passiert, schauen wir auf eine interessante Fallstudie zu asymmetrischen Kurbelarmen für Rennräder. Viel Spaß beim Lesen!
Auswirkung asymmetrischer Kurbelarmlängen auf leistungsbezogene Variablen bei Radfahrern mit einer anatomischen Längendiskrepanz der unteren Gliedmaßen
Das Hauptziel im Fahrraddesign für Athleten könnte recht einfach zusammgefasst sein: Die Verbesserung der Biomechanik um die Leistung zu steigern und gleichzeitig die Gesundheit des Radfahrers zu erhalten.
Die Leistungssteigerung könnte als ein höheres Drehmoment auf das Kettenrad bei gleicher (oder geringerer) physiologischer Anstrengung definiert werden. Wie wir wissen, ist Drehmoment gleich Kraft mal Hebel, und unter der Annahme, dass wir die Kraftausgabe des Athleten nicht verändern können (da man das Training nennen würde, und sowas tun wir hier nicht), bleibt uns nur noch die Optimierung des Hebels.
Hier ist die Länge der Kurbelarme von Interesse, da sie als diese Hebelarme wirken, um ein Drehmoment zu erzeugen, welches schlussendlich auf die Kette wirkt. Normalerweise sind Längen von 165mm bis 180mm auf dem Markt erhältlich und werden in Zweier-Sets verkauft – was zu einem symmetrischen Aufbau führt. Allerdings neigen Menschen dazu, asymmetrisch zu sein, wenn man genau genug hinsieht, und Forscher fanden heraus, dass 20% in einer Population von 1619 Individuen eine Ungleichheit der unteren Gliedmaßen von mehr als 9mm aufwiesen [1].
Um dieses Problem zu beheben, haben Radfahrer in der Vergangenheit ihre Sohlendicke erhöht oder „Spacer“ zwischen Schuh und Pedal verwendet, um die Extension von Sprunggelenk, Knie und Hüfte zu verringern. Obwohl es sich gezeigt hat, dass dies die Bruttoeffizienz verbessern konnte [2], führten diese Maßnahmen zu einer höheren Flexion der Gelenke, da die Gliedmaße während des gesamten Pedalzyklus angehoben wurde. Dies kann bei Athleten mit einer schlechten Flexibilität der Hüften und Beinbeuger zu Problemen führen [3].
In einer kürzlich durchgeführten Fallstudie von Geoffrey Millour, Sebastien Duc, Frederic Puel & William Bertucci wurde das Konzept der asymmetrischen Hebellänge mit drei männlichen Radfahrern getestet, die alle einen Längenunterschied der unteren Extremitäten von 10 mm bis 28 mm aufwiesen. Die Testpersonen absolvierten drei Testsessions mit asymmetrischen Setups, wobei jede Session aus einem 8-minütigen Fahren mit 60% der maximalen Leistung, zwei 10 s Sprints und einem 30 s Wingate-Test (das ist ein häufig verwendeter anaerober Leistungstest) bestand. Die Gruppe zeichnete Leistungsabgabe, Herzfrequenz, Sauerstoffverbrauch, Bruttoeffizienz und 2D-Kinematik von Hüfte, Knie und Sprunggelenk auf. Außerdem wurden die wahrgenommene Anstrengung und der wahrgenommene Komfort bewertet.
Zunächst einmal hat der verkürzte Kurbelarm die Knie- und Knöchelextension sowie die Hüft- und Knie-ROM reduziert. Zweitens verbesserte sich die maximale Leistungsabgabe, während die wahrgenommene Anstrengung reduziert wurde. Auch der wahrgenommene Komfort wurde verbessert. Die physiologischen Parameter zeigten jedoch keine signifikanten Unterschiede zwischen dem symmetrischen und asymmetrischen Aufbau. Hier könnten die Ergebnisse mit einer größeren Probengruppe eindeutiger sein.
Für uns ist diese Fallstudie dennoch interessant, da sie zeigt wie wir dazu neigen, bei der ergonomischen Gestaltung eine perfekte menschliche Symmetrie anzunehmen. Dabei wissen wir, dass fast niemand so symmetrisch ist. Lies die Arbeit, wenn du an mehr Details interessiert bist, sie ist frei zugänglich!
Millour, G., Duc, S., Puel, F. et al. Effect of asymmetric crank arm lengths on performance-related variables in cyclists with an anatomical lower limb length discrepancy. Sports Eng23, 14 (2020). https://doi.org/10.1007/s12283-020-00327-w